Kinder Ohne Furcht - Menschenrechte für kinder

Juni/Juli 2009

Seminar in der Volksschule Furth an der Triesting

STATEMENT VON FRAU DIREKTOR ANNA SEEWALD VON  VOLKSSCHULE FURTH AN DER TRIESTING. Bitte abclicken hier.
Notenbeispiele der Lieder, die die Kinder während des Seminares gemeinschaftlich komponiert haben:
Kinder ohne Furcht
Kinder der Welt
Mama, was ist los mit dir?
 

Bericht

„Kinder Ohne Fuhrcht“ 

Eine Veranstaltung von UNESCO –Club  Wien in Zusammenarbeit mit der Volksschule Furth an der Triesting/Niederösterreich
 
 1.) Menschenrechte für Kinder
  a) Ein allgemeiner Überblick
 
Über ein Drittel der momentan auf etwa neun Milliarden Menschen geschätzten Weltbevölkerung sind Kinder. Jeden Tag sterben etwa 22.000 der unter fünf Jahre alten an Unterernährung oder den Folgen mangelhafter Lebensbedingungen, die meisten davon in den Entwicklungsländern. Über 100 Millionen Kinder im Primärschulalter weltweit gehen nie zur Schule, die Mehrzahl sind Mädchen. Etwa 16 % der Kinder zwischen fünf und vierzehn Jahren müssen bereits arbeiten, viele davon sogar vollzeit. Viele sind Gewalt in den Familien oder im sozialen Umfeld ausgesetzt. Zahlreiche Kinder leben in Kriegsgebieten, viele werden gezwungen, in Konflikten Waffen zu tragen. Obwohl viele der Phänomene in erster Linie in den Entwicklungsländern Afrikas und Asiens auftreten, zeigt sich leider auch in Industriestaaten ein unerfreuliches Bild. (Statistik: http://www.childinfo.org/mortality.html )
 
Kinder erleben jede Form von Bedrohung tiefer und intensiver als Erwachsene, sie sind Leid und Schrecken unmittelbarer ausgesetzt. Kinder haben ein erhöhtes Schutzbedürfnis und bedürfen besonderer Maßnahmen. Um den oben erwähnten Entwicklungen zu begegnen, haben die Vereinten Nationen während der letzten Jahrzehnte bedeutsame Impulse gesetzt. Als einer der ersten Meilenstein kann die Deklaration der Rechte des Kindes durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 20. November 1959 angesehen werden (read more) Um das Thema weiter zu  vertiefen, erklärte UNESCO das Jahr 1979 zum Jahr des Kindes, UNO Generalsekretär Dr. Kurt Waldheim unterzeichntete am 1. Jänner 1979 die Proklamation. (read more) Viele der Bemühungen dieser Initiative führten letztlich im Jahr 1989 zur  Konvention über die Rechte des Kindes  (read more). Österreich erzielte eine Übereinkunft mehrerer Parlamentsparteien, einzelne Bestimmungen in das geltende Recht zu übernehmen (read more).
 
Diese Fakten lassen es als notwendig erscheinen, die Kinderrechte im Bewußtsein der Menschen, besonders aber, im Bewußtsein der Kinder zu verankern.
 
b) „Kinder ohne Furcht“
 
UNESCO - Club Wien nahm daher das dreifache Jubiläum des Jahres 2009 zum Anlaß, dem Thema neue Gedanken zu widmen und lud die Volksschule Furth im Wienerwald/Niederösterreich zu der gemeinsamen, den Kinderrechten gewidmeten Veranstaltung „Kinder ohne Furcht – Menschenrechte für Kinder“ (Seminar) ein. In den Monaten Mai und Juni trafen sich Vertreter von UNESCO – Club Wien mit Lehrern und Schülern der Volksschule Furth an der Triesting von der ersten bis zur vierten Schulstufe zu insgesamt 15 Arbeitstreffen. Am 7 Juni 2009 fand unter dem Ehrenschutz von Lansdeshauptmann Dr. Erwin Pröll, im Rahmen einer Vorstellung im Further Dorfstadl eine Präsentation des Erarbeiteten statt, bei der die Kinder Spielszenen und Chorlieder zum Thema darboten. Unter den Ehrengästen befanden sich Landesrat Mag. Johann Heuras, Min.- Rat Mag. Johann Walter (Unterrichtsministerium), Vertreter der Gemeinde Furth an der Triesting und zahlreiche weitere Honoratoren. Etwa 300 Besucher füllten den Dorfstadl in Furth.


 
Im Laufe des gesamten Seminares wurden die Kinder nicht nur über ihre Menschenrechte und – pflichten informiert, sondern aktiv in einen Prozeß miteingebunden, der ihnen Gelegenheit gab, auch ihre persönlichen Meinungen, Erfahrungen und Nöte auszudrücken. Ein ganz besonderes Spezifikum dieser Begegnungen war aber, daß die Kinder mittels der Medien Musik und Schauspiel ihre Erkenntnisse und Erfahrungen in Chorliedern und Spielszenen ausdrückten, die ihrer eigenen Kreativität entstammten. Dabei erfuhren soziale und juristische Inhalte eine überaus starke Vertiefung und prägten sich nachhaltig in das  Bewußtsein der Kinder ein.  

2.) Prämissen für das Seminar „Kinder ohne Furcht“
   a) Ideele Voraussetzungen in den Industriestaaten, insbesondere in Österreich
 
Während die Generationen, die den zweiten Weltkrieg miterleben mußten und am Wiederaufbau, sowie am sogenannten“Wirtschaftswunder“ beteidigt waren, bedingt durch ihre Erfahrungen im allgemeinen für Themen wie Demokratie oder Menschenrechte größeres Interesse und Verständnis zeigen und ihnen einen breiteren Raum geben, scheinen in unseren Tagen politische Themen etwas aus dem Blickfeld gerückt zu sein. Statistiken und Umfragen belegen, daß sich eine gewisse Gleichgültigkeit breit macht, die durch einschlägige Massenmedien und allgemeiner Hinwendung zu Konsum noch verstärkt wird. Gleichzeitig steigt die Zahl der Gewalttaten und sinkt die Hemmschwelle bei kriminellen Handlungen, insbesondere bei Jugendlichen. Es erscheint daher als notwendig, Mittel zu ergreifen, Themen wie den Menschenrechten wieder zu breiterem, öffentlichem Interesse zu verhelfen, da ihre Gewährleistung einer Verankerung im Bewußtsein der Menschheit bedarf. “Da Kriege im Bewußtsein der Menschen beginnen, muß die Verteidigung des Friedens im Bewußtsein der Menschen beginnen...Wenn der Friede nicht scheitern soll, muß er in der intellektuellen und moralischen Solidarität der Menschheit begründet sein.” (Zit.  UNESCO Verfassung.)
 
b) Die spezifischen Voraussetzungen in der Volksschule Furth an der Triesting
     
Ein in wesentlichen Punkten unterschiedliches Bild ergibt sich bei Betrachtung der Lage in der Volksschule Furth an der Triesting. Durch das persönliche Engagement von Frau Direktor Seewald kommen die Kinder der Schule regelmäßig in den Genuß von Sonderveran-staltungen, in deren Mittelpunkt soziale Themen, wie etwa die Sorge um alte Menschen, das Sauberhalten der Umgebung oder gemeinsames Lesen von Büchern in der Freizeit stehen. Daher sind die Kinder aus Furth gewohnt, bei der Lösung von Problemen ihren Intellekt zu gebrauchen und dabei an eine gerechte Lösung und nicht nur an ihren persönlichen Vorteil oder den ihrer Freunde zu denken. Die Schule hat für ihre Projekte auch schon einige Preise gewonnen. (read more)
 
Darüberhinaus erweist sich im Falle Furth die im ländlichen Bereich noch stärker vorhandene gesellschaftliche Einbindung des Einzelnen als förderlich. Die Anonymität städtischer Ballungsräume hingegen begünstigt Gewalt.

c) Die materiellen Voraussetzungen

In concreto waren es u. a. folgende Faktoren, die das Zustandekommen des Seminares „Kinder ohne Furcht“ ermöglichten:

  • Die Bereitschaft der Schulleitung, 15 Vormittage gegen Ende des Schuljahres dafür zur Verfügung zu stellen. (Anm.: Auch mit geringerem Zeitaufwand können bereits respektable Ergebnisse erzielt werden.)
  • Finanzielle Unterstützung. Im gegenständlichen Fall konnte eine Unterstützung durch Kulturkontakt Austria sowie durch das Land Niederösterreich erreicht werden. Die Gemeinde Furth unterstützte das Zustandekommen der Abschlußveranstaltung im Dorfstadl. Die Schule selbst stellte finanzielle Mittel, sowie ihre Räume zur Verfügung.
  • Die Bereitschaft der Schulleitung und der Lehrer, dem Thema Zeit und Energie zu widmen.
  • Die Bereitschaft der Eltern, die Kinder zu Sonderzeiten von der Schule abzuholen, sowie ihr Verständnis für das Thema und ihre Einwilligung dazu.
  • Die Bereitschaft der Kinder, auch außerhalb der Schulzeiten in einer Schulsache aktiv zu werden und ihre Begeisterung für das Thema.  

3.) Die Treffen mit den Kindern
  a) Fühlungnahme  

Man kann sagen, daß die Kinder aus Furth die Idee vom Anfang an mit Begeisterung aufnahmen. Wie bei allen Kindern nährte sich diese Begeisterung natürlich auch aus dem Umstand, daß etwas „außertourliches“, also etwas außerhalb des regulären Schulbetriebes begonnen wurde. Doch muß betont werden, daß die Kinder in erster Linie am Thema selbst lebhaft Anteil nahmen. Plangemäß waren die Kinder ab dem Beginn in einen Prozeß von Diskussionen, Fragen und Stellungnahmen miteinbezogen. Begünstigt durch die Begeisterung der Kinder, stellte sich zwischen dem Prinzip der Gleichstellung der Kinder in den Diskussionen und einem anderseits vorhandenen Ordnungsbedürfnis erst gegen Ende des Seminares ein kleiner Widerspruch ein, als die Aufmerksamkeit etwas nachzulassen begann. Durch die Unmittelbarkeit der kindlichen Wahrnehmung gelangten die Kinder zu einem hohen Maß an Einsicht in die besprochenen, oft komplexen sozialen und auch juristischen Themen. Während etwa Zwanzigjährige beim Studium aus Büchern den besprochenen sozialen und juristischen Phänomenen als fleischlosem Abstraktum begegnen und sich oft erschreckend wenig darunter vorstellen können, stellen solche Phänomene für Kinder ein lebendiges Bild dar, etwas, das sie im Umgang mit Erwachsenen oder anderen Kindern erfahren haben oder erfahren könnten, das somit zu ihrem Leben zählt oder zählen könnte. Die Erfahrung zeigt: Man muß in der Tat den Grad der Verständnisfähigkeit von Kindern hoch ansetzen und kann auch komplexe Fragen mit ihnen erörtern. Natürlich sind wegen ihres Alter gewisse Grenzen gesetzt.

b) Einige Grundbegriffe aus Recht und Ethik

Kinder verfügen über einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Sie müssen hingegen lernen, daß dieser Gerechtigkeitssinn unterschiedlichen Gruppen von Normen zugerechnet werden kann. Dazu folgendes Beispiel:
 
Frage an die Kinder: Zwei Kinder schließen ein drittes vom Spiel aus. Kann das dritte einen Polizisten oder Richter bitten, die anderen beiden zu zwingen, mit ihm zu spielen?

  • Antwort der Kinder: Nein.
  • Frage an die Kinder: Wann, zum Beispiel, könnten die beiden anderen Kinder zu etwas gezwungen werden?
  • Antwort: Zum Beispiel, wenn sie vom dritten Kind etwas gestohlen hätten, das müßten sie dann zurückgeben.
  • Frage: Daß heißt, sie sollen sich zwar bemühen, mit dem dritten Kind zu spielen, müssen das aber freiwillig tun. Könnte man sagen, daß es Normen gibt, die man einhalten „soll“ und solche, die man einhalten „muß“?
  • Antwort: Ja.
  • Richtig. In einem Fall sprechen wir von Recht, im anderen Fall von moralischen (oder ethischen) Normen. Recht kann erzwungen werden.
  • Überraschend leicht, geradezu spielerisch haben die Kinder diesen wesentlichen Unterschied zwischen ethischen und rechtlichen Normen begriffen.

Beide Normsysteme, das des Rechtes und das der Ethik, stehen dabei oft in einem starken Widerspruch zu einem archaischen Konkurrenzverhalten der Kinder untereinander. Dazu ein weiteres Beispiel:
 
Wir spielen eine improvisierte Szene. Ein Farbstift liegt am Boden, der niemandem gehört (juristisch eine „herrenlose Sache“). Ein Darsteller möchte den Stift gerade nehmen, in der Absicht, ihn für sich zu behalten, also, Eigentümer des Stiftes zu werden. Doch im letzten Moment stößt ihn ein anderes Kind weg und nimmt den Stift – als Erster – an sich.

  • Frage an die Kinder: Wer ist jetzt Eigentümer?
  • Antwort der Kinder: Der ihn zuerst an sich genommen hat. Er darf aber das andere Kind nicht wegstoßen.
  • Frage: Muß er den Stift zurückgeben?
  • Die Antwort der Kinder: Nein, aber er könnte es als Entschuldigung tun.

  Eine andere Szene: Der selbe Frabstift liegt wieder am Boden, ein Darsteller möchte den Stift, in der Absicht, ihn für sich zu behalten, an sich nehmen und tut es auch. Das andere Kind stößt ihn um und nimmt ihm den Stift in der nächsten Sekunde weg.

  • Frage an die Kinder: Wer ist jetzt Eigentümer?
  • Antwort der Kinder: Der ihn zuerst genommen hat. Das andere Kind muß den Stift zurückgeben und darf das erste Kind auch nicht stoßen!

Auch verschieden Rechtsordnungen sehen als Grundmuster für den Erwerb bzw. den Übergang von Eigentum das reale Ansichnehmen der Sache vor. Die Kinder bewiesen daher ein ganz gutes Gespür für Modalität und Zeitpunkt der Begründung von Eigentum und stellten dieses Argument auch vor die, durch Gewaltanwendung begründeten Tatsachen. Sie zeigten somit, daß die „Macht des Stärkeren“ nicht unbedingt stärkeres Argu-ment war, daß auch Recht und Ethik eine essentielle Rolle spielen.
 
c) Der Unterschied zwischen Recht und Menschenrecht. 
 
Ein für diese Altersgruppe eher schwer zu fassender Unterschied ist der zwischen „Rechten“ und „Menschenrechten“. Insbesondere verschiedene Regelungen des Strafrechtes, die auch ohne genaue Gesetzeskenntnis den Kindern in Grundzügen bewußt sind, weisen eine für Kinder verwirrende Nähe zu den Menschenrechten auf.
 
-      Frage an die Kinder: Habt ihr schon einmal eine Menschenrechtsverletzung beobachtet?
-     Antwort: Ja, ein Auto ist bei Rotlicht über die Kreuzung gefahren, obwohl gerade Kinder über den Zebrasterifen gingen.
 
Um zu erklären, daß die einmalige Übertretung der Straßenverkehrsordnung noch keine Menschenrechtsverletzung bedeutet, obwohl Gefahr bestand, daß ein Kind verletzt würde, müssen essentielle Merkmale eines Menschenrechtes besprochen werden: Etwa, daß Menschenrechte nur ganz fundamentale Bereiche und Aspekte im Verhältnis zwischen Menschen – und natürlich besonders Kindern – und der Gemeinschaft, also dem Staat, den Eltern, den Lehrern und auch anderen Menschen, regeln. Das Menschenrecht eines Kindes auf Eltern etwa bedeutet, daß die Gesellschaft Adoptiveltern bestimmen muß, wenn das Kind keine mehr hat. Das Kind hat also gegenüber der Gemeinschaft ein Recht auf Eltern. Kinder haben ein Recht auf Spiel. Wenn Eltern oder Erzieher es ihm entziehen, muß die Gesellschaft für die Einhaltung sorgen. Für Erwachsene wie für Kinder gleichermaßen gilt der Gleichheitssatz. Wenn etwa ein Lehrer ein bestimmtes Kind immer ungerecht benachteiligt, muß die Gesellschaft für Ausgleich sorgen. Das Beispiel mit dem Autofahrer (oben) wäre etwa dann als Menschenrechtsverletzung zu deuten, wenn ein oder mehrere Autofahrer durch ständiges und fortwährendes oder gar systematisches Nichtbeachten der Straßenverkehrs-ordnung über ein bestimmtes Ausmaß die Sicherheit der Kinder gefährden würden. In einem solchen Fall wäre zu prüfen, ob eventuell eine Verletzung des Kinderrechtes auf sichere Umgebung vorliegt. Unter diese Bestimmung fallen auch die leider immer häufiger zu beobachtenden Belästigungen von Kindern durch ältere oder/und stärkere Kinder oder Jugendliche auf dem Schulweg („Mobbing“). Oft kommt es dabei zu schweren Körperverletzungen und einer Gefährdung der psychischen Balance. Experten führen das Fallen der Hemmschwelle auf Beeinflussung durch Filme und Computerspiele zurück, in denen unverblümt Gewalt gezeigt wird.
 
Diese Beispiele zeigen, daß Menschenrechte nicht nur das Verhältnis der Menschen zum Staat regeln, sondern auch die Beziehungen der Menschen untereinander stark berühren. Insbesondere eines der fundamentalsten Grundrechte, der Gleichheitssatz, räumt den Menschen nicht nur Schutz gegenüber der Gemeinschaft ein, er empfiehlt auch ein gewisses Verhalten in den Beziehungen der Menschen untereinander. Daraus ergibt sich aber, daß die Menschen - und besonders auch die Kinder – aufgefordert sind, die Inhalte dieser Rechte auch in ihren eigenen Handlungen zu berücksichtigen. Die Menschenrechte beinhalten einen Empfehlungscharakter auch für das Verhalten jedes einzelnen Menschen!
 
Daß heißt, Menschenrechte für Kinder, so wie die Menschenrechte allgemein, treffen Bestimmungen, die die fundamentalsten Grundlagen unseres Lebens in der Gemeinschaft bertreffen. Ihre Verletzungen sind als besonders schwerwiegend zu qualifizieren, da sie die Existenz des Menschen gefährden.
 
d)      Einzelne Fälle einer Verletzung der Menschenrechte für Kinder
 
Die meisten Kinden hatten verstanden, daß Menschenrechte Regeln sind, die sich nicht gegen einzelne – wenn auch schwerwiegende – straftbare Handlungen richten, sondern grundlegende, existenzielle Bedürfnisse des Einzelnen schützen. Nach der Klärung dieser grundlegenden Fragen ging es daran, einzelne Fälle zu formulieren, in denen die Menschenrechte der Kinder verletzt werden. Ein wichtiger Aspekt dabei war es auch, die Kinder zu informieren, wie sie sich im Falle von Verletzungen zu verhalten haben, wem sie solche melden sollen.
 
Zu diesem Zweck wurden die Kinder in Gruppen aufgeteilt, in denen solche Situationen be-sprochen wurden. In weiterer Folge wurden diese Handlungen in Rollen aufgeteilt und von den Kindern gespielt.
 
Gruppe I
Hier wurde eine Szene gespielt, die das Phänomen Kinderarbeit thematisierte. Eine von zwei Schwestern mußte die gesamte, schwere Hausarbeit verrichten, während die andere, quasi als Komplizin der Mutter, dauernd Geschenke bekam und die Schule besuchen durfte. Durch die diplomatische Vermittlung der bevorzugten Schwester aber besann sich die Mutter eines Besseren. Verbot der Kinderarbeit. Recht auf Schule und Bildung.
 
Gruppe II
Das Thema dieser Gruppe berührte den Gleichheitssatz. Mittels pantomimischer Darstellung wurde das Schicksal eines Kindes gezeigt, das wegen einer Behinderung vom Spiel mit den anderen ausgeschlossen war. Letztlich zeigten die anderen Kinder Einsicht.
 
Gruppe III
Die Kinder der Gruppe III spielten den regelmäßig verübten Überfall einer Bande auf andere Kinder, die sich nicht mehr getrauten, das Haus zu verlassen. Die Schulleiterin konnte hier nach Melden dieser Übergriffe die Situation retten. Recht auf sichere Umgebung, auf Spiel und Freizeit.
 
Gruppe IV
Zwei Schüler beobachten die regelmäßige Körperverletzung eines Mitschülers durch dessen Eltern und melden es dem Schulleiter. Ein Gespräch mit den Eltern verbessert die Situation. Recht auf Erziehung, Verbot von körperlichen Strafen und von Körperverletzung.
 
Gruppe V
Durch pausenlose, materielle Zuwendungen und Schenken von Spielsachen im Übermaß, sowie die Erlaubnis zu übermäßigem Konsumieren verletzen Eltern ihre Verpflichtung, das Kind zu erziehen.

e) Das Einstudieren der Spielszenen

Beim Einstudieren galt es, einige Probleme zu  behandeln. Die Kinder vergaßen leicht, daß eine Theaterszene einzustudieren war und folgten zu sehr ihrem Wunsch und Bedürfnis, „zu spielen“, so, wie es unter Kindern üblich ist. Das hatte zum Resultat, daß die Kinder nicht zu einem (imaginären) Publikum sprachen, sondern, in einer oft schwer verständlichen Weise, einfach untereinander sprachen; also zu schnell, zu undeutlich, direkt und ausschließlich zum anderen Kind gerichtet. Auch die Bewegungen entsprachen anfänglich nicht den Erfordernissen einer Aufführung als Theaterszene. Sie waren von hoher Geschwindigkeit und Beiläufigkeit geprägt und wiesen wenig Mitteilungskraft auf.
 
Die Kinder mußten lernen, daß sie hier etwas für andere Menschen spielen, etwas vorspielen und nicht nur untereinander, für sich selbst. Die Tatsache eines Publikums – bei der Abschlußveranstaltung kamen über 300 Personen – brachte das Erfordernis eines artikulierten Ausdruckes. Die Darstellung auf einer Bühne bedarf hoher Verständlichkeit beim Sprechen und hoher Mitteilungskraft bei den Bewegungen. Auch diesbezüglich stellte das Seminar „Kinder ohne Furcht“ eine Erweiterung für die Schüler dar. Gute Artikulationsfähigkeit bedeutet für die Umsetzung ihrer guten Absichten und ihres Enthusiasmus für Gerechtigkeit ein unentbehrliches Werkzeug.

f) Demokratische Gemeinschaftskompositionen

Außer den Theaterszenen bereiteten die Kinder auch drei Chorlieder vor, deren Texte den Kinderrechten gewidmet sind und die von Kinderbuchautor Brezina für gut befunden wurden:
„Kinder ohne Furcht“
 
Ich will ein Land, das leise spricht, mit Liebe und Verstand.
Ich will ein Heim, das mich schützt und Eltern, die mich seh’n.
Ich will einen Freund, der zu mir steht, mich tröstet,
Nicht von meiner Seite geht
Und dann, wenn ich versag, trotzdem mit mir spielen mag.
Ich will ein Kind sein, daß ohne Furcht sein Leben leben kann.
 
 
2. Kinder der Welt
 
Kinder aus Afrika, Asien und Amerika,
Europa und Australien
Haben Menschenrechte:
Auf Liebe und Eltern,
Auf Bildung und Schule,
Auf Nahrung und Wohnung,
Auf Ärzte und Sicherheit,
Auf Spiel und Erholung,
Auf Gleichheit, auf Gleichheit.
 
 
 
3. Mama, was ist los mit dir
 
Mama, was ist los mit dir,
Warum sagst du niemels „nein“ zu mir?
Ich will nicht immer das, wonach ich frage,
Alles haben ist oft eine Plage.
Merkt denn keiner, was passiert,
Wenn einer grenzenlos konsumiert?
 

  • Frage an die Kinder: Könnt ihr den Textabschnitt „Ich will ein Land“ singen?
  • Antwort: Wie  meinst du das?
  • Einfach, jede Silbe des Textes mit einem Ton, der euch spontan einfällt verbinden oder auch mehrere Töne mit einer Silbe verbinden.

In der Folge sangen die Kinder eine Reihe von kleinen Melodien, die ihnen spontan einfielen. Diese schlichten, melodischen Sequenzen bewegten sich im Bereich der herkömmlichen Tonleiter- und Dreiklangstöne. Pro Textabschnitt lieferten die Kinder etwa zwischen fünf und fünfzehn Vorschläge, die sofort in Notenschrift notiert wurden. Am Ende wurde mittels Aufzeigen der Hände über die einzelnen Vorschläge abgestimmt. Am Ende wurden dann die gewählten Abschnitte zu einem Lied zusammengefügt. Die Resultate waren verblüffend.
 
Über eine Förderung der Kreativität und den künstlerischen Nutzen hinaus lernten die Kinder auf diese Weise wesentliche Inhalte der Menschenrechte für Kinder auswendig. Frau Direktor Seewald bestätigte in einem Gespräch, daß sich eineinhalb Jahre später die Schüler noch an fast alle Texte erinnern konnten.
 
4.) Schlußaufführung im Dorfstad l
 
Die letzten Treffen standen ganz im Zeichen der Schlußaufführung der Theaterszenen und der Chorlieder im Dorfstadl von Furth an der Triesting. Die Gegebenheiten einer großen Bühne und eines großen Zuschauerraumes ließen das Erfordernis nach deutlicher Artikulation und Hinwendung zum Publikum noch dringlicher erscheinen. Eine Verstärkeranlage erwies sich nur teilweise als Verbesserung. Die Kinder meisterten ihre Aufgabe letzlich im Bewußtsein der Wichtigkeit des Themas und wurden von großem Enthusiamus beflügelt. Besonderen Beifall seitens des Publikums ernteten sie für die Darbietung der drei Lieder, die sie im Chor sauber, treffsicher und deutlich erschallen ließen. Das zahlreich erschienen Publikum dankte bewegt und herzlich mit viel Applaus. Der Nachmittag im Dorfstadl fand mit angeregten Gesprächen bei Kaffee und Kuchen seinen Ausklang. 

5.) Resumee


Die Further Kinder lernten für wesentliche Bereiche ihrer Existenz passende Worte und Begriffe, sie bekamen ein Werkzeug an die Hand, Probleme zu artikulieren und auf sie aufmerksam zu machen. Sie lernten, zentrale politische und soziale Grundbegriffe konkret auf ihr eigenes Leben zu beziehen, sie lernten, sozialen Phänomenen einen Namen zu geben. Dabei wurde deutlich, daß wir nicht nur geschützt sind, sondern auch aufgefordert, uns selbst rechtmäßig zu  verhalten.
 
Insbesondere durch die Verknüpfung dieser Inhalte mit Musik und Schauspiel konnte eine leichtere Auffassung des Stoffes und eine höhere Merkfähigkeit erzielt werden. Letztlich kannten die Kinder wesentliche Bestimmungen der Menschenrechte durch die künstlerischen Medien auswendig!
 
Darüberhinaus bestätigte Frau Direktor Seewald, daß die so intensive Befassung mit Recht und Ethik bei den Kindern nachhaltige Spuren hinterlassen habe. Sie berichtete von einigen Konfliktsituationen, in denen die Kinder sich an den besprochenen Lösungsvarianten orientiert hätten. So forderten etwa zwei Kinder ihrer Schule die Einberufung einer Plenarsitzung, um das lautstarke Verhalten zweier Buben während einer Autobusfahrt zu behandeln. Sie fühlten sich in ihrem Recht auf sichere Umgebung beeinträchtigt.
 
Wir möchten aus diesen Erfahrungen auch anderen Schulen – und wie im Falle Furth insbesondere auch Elementarschulen - nahelegen, an ihrem Schulen solche oder ähnliche Veranstaltungen durchzuführen.
 
Bezüglich Beratung, Planung und Durchführung kontaktieren Sie bitte UNESCO – Club Wien unter:  

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